"Ein Ding", Auguste Rodin (DE)




Sehr frühe schon hat man Dinge geformt, mühsam, nach dem Vorbild der vorgefundenen natürlichen Dinge; man hat Werkzeuge gemacht und Gefässe, und es muss eine seltsame Erfahrung gewesen sein, Selbstgerechtes so anerkannt zu sehen, so gleichberechtigt, so wirklich neben dem was war. Da entstand etwas, blindlings, in wilder Arbeit und trug an sich die Spuren eines bedrohten offenen Lebens, war noch warm davon, - aber kaum war es fertig und fortgestellt, so ging es schon ein unter die Dinge, nahm ihre Gelassenheit an, ihre stille Würde und sah nur noch wie entrückt mit wehmütigem Einverstehen aus seinem Dauern herüber. Dieses Erlebnis war so merkwürdig und so stark, dass man begreift, wenn es auf einmal Dinge gab, die nur um seinetwillen gemacht waren. Denn vielleicht waren die frühesten Götterbilder Anwendungen dieser Erfahrung, Versuche, aus Menschlichem und Tierischem, das man sah, ein Nicht-Mutsterbendes zu formen, ein Dauerndes, ein Nächsthöheres: ein Ding.

Was für ein Ding? Ein schönes? Nein.

Wer hätte gewusst, was Schönheit ist? Ein ähnliches.
Ein Ding, darin man das wiedererkannte, was man liebte, und das, was man fürchtete, und das Unbegreifliche in alledem. ....

Dass es eine ästhetische Meinung gab, die die Schönheit zu fassen glaubte, hat Sie irre gemacht und hat Künstler hervorgerufen, die ihre Aufgabe darin sahen, Schönheit zu schaffen. Und es ist immer noch nicht überflüssig geworden, zu wiederholen, dass man Schönheit nicht 'machen' kann.


Niemand hat je Schönheit gemacht. Man kann nur freundliche oder erhabene Umstände schaffen für Das, was manchmal bei uns verweilen mag: einen Altar und Früchte und eine Flamme-. Das andere steht nicht in unserer Macht. Und das Ding selbst, das, ununterdrückbar, aus den Händen eines Menschen hervorgeht, ist wie der Eros des Sokrates, ist ein Daimon, ist zwischen Gott und Mensch, selber nicht schön, aber lauter Liebe zur Schönheit und lauter Sehnsucht nach ihr.


"Auguste Rodin. ein Vortrag" in: "Schrift zur Literatur und Kunst", Stuttgart, 2009, S. 127-128

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